Transition Finance stark im Fokus der ICMA
55. Jahrestagung in Paris – Internationale Emittenten kommen gut mit dem Zinsanstieg an den Anleihemärkten klar

Transition Finance ist eines der am stärksten diskutierten Themen auf der Jahrestagung der ICMA in Paris gewesen. Aber auch die Zinsentwicklung sowie die Technologisierung des Handels von Anleihen gehörten zu den Themen, die die Marktteilnehmer derzeit umtreiben.

Mandy DeFilippo

Janet Wilkinson

Änderung des Verhaltens

Ein zentrales Thema ist verständlicherweise die Entwicklung auf den internationalen Bondmärkten gewesen, d.h. die inflations- und leitzinsgetriebenen Bondrenditenanstiege. Das beschäftigte in den vergangenen Monaten Investoren und Emittenten gleichermaßen. In einer Diskussionsrunde zur Emissionstätigkeit großer internationaler Emittenten unter Beteiligung des ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus), französischer und britischer Schuldenagentur, italienischer Schuldenmanager und Vertretern der EU wurde auch der Frage nachgegangen, inwieweit das Zinsniveau eine Änderung in der Strategie der Emittenten und auch eine Veränderung des Investorenverhaltens mit sich gebracht hat. Eine grundlegende Veränderung des Emissionsverhaltens oder gar der Emissionsstrategie wurde von den großen Emittenten im Verlauf des vergangenen Jahres nicht vorgenommen. Sie seien durch die turbulenten Zeiten mit ihren gegenwärtigen Ausgestaltungen der jeweiligen Strategien gut durchgekommen, eben ohne gravierende Anpassungen vornehmen zu müssen.

Eine Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, war, ob mittlerweile asiatische Investoren an die europäischen Märkte für Staatsanleihen und Bonds der SSA (Supranationals, Sub-Sovereigns, Agencies) zurückkehren. Seitens Kalin Anve Janse, CFO des ESM, wurde dies bejaht. Asiatische Investoren verabschiedeten sich während der Zeit des massiven Renditerückgangs, der Bonderenditen in den Negativbereich führte, in großem Umfang aus dem europäischen Fixed-Income-Bereich. Die Frage war dabei immer für viele Emittenten, ob sie bei einem Anstieg der Anleiherenditen wieder in die europäischen Märkte zurückkehren werden. Die großen Emittenten aus dem SSA- Bereich sahen in den vergangenen Wochen und Monaten durchaus eine Rückkehr der asiatischen Adressen auf der Anlageseite. „Gerade das kurze Ende der Laufzeitenkurve befindet sich in diesem Zusammenhang in einer guten Verfassung“, hielt Anve Janse hierzu in der Diskussionsrunde fest. Die geopolitische Entwicklung mit dem im vergangenen Jahr ausgebrochenen Ukraine-Krieg und die dadurch ausgelöste Energiepreissituation habe die Emissionsstrategie der großen staatlichen und SSA-Emittenten in diesem Umfeld nicht wesentlich verändert. Das sei insgesamt sehr stabil geblieben.

Linker sind Marktthema

Im Zuge mit der Inflationsentwicklung wurden auch die inflationsgebundenen Anleihen (sogenannte Linker) seitens der Emittenten thematisiert. So wollen etwa die Briten nach Aussagen von Sir Robert Stheeman, CEO des britischen Debt Management Office (DM), das Linker-Portfolio des britischen Staates in der kommenden Zeit nicht stark anwachsen lassen, sondern eher etwas drücken. Festgehalten wurde in diesem Zusammenhang auch, dass Linker aufgrund der nicht vorhandenen Inflation in den vergangenen Jahren kein größeres Marktthema gewesen seien, nun sei dies aber ein größeres Thema auf der Anlegerseite geworden. So will etwa Italien, das Anleihen mit einer Kopplung an die heimische Inflationsrate ebenso wie Bonds mit einer Anbindung an die Eurozonen-Inflation hat, seine stabile Emissionsstrategie in diesem Bereich fortsetzen. Die EU ließ hingegen durchblicken, dass es dort keinerlei Ambitionen gibt, sich als Emittenten auf dem Markt der Linker zu engagieren. Die EU ist während der Pandemie zu einer bedeutenden Emissionsadresse von grünen Anleihen und Social Bonds geworden, die am Markt auf ein sehr reges Investoreninteresse gestoßen sind.

Ein Thema, das sich quasi durch alle Diskussionsrunden und Keynotes der prominenten Redner zog, war Transition Finance, also der Übergang hin zu einer grünen und nachhaltigen Kapitalmarktwelt und Realwirtschaft. So stellen Emittenten fest, das wurde immer wieder festgehalten, dass Investoren immer stärker nach dem Aspekt der Sustainability-Ausrichtung des Emittenten fragen und hierzu entsprechende Informationen einfordern. Dies habe sich in der jüngeren Vergangenheit sehr stark verändert, wurde konstatiert. Die Emittenten seien in diesem Zusammenhang auch mit einem stärkeren Engagement der Investoren konfrontiert. Dabei gehe es um die Strategie der Dekarbonisierung und eine entsprechende Roadmap des jeweiligen Unternehmens, Bank etc. Auf einem Panel zu diesem Themenkomplex vertreten war Leila Sassi, Head of Sustainable Finance und Senior Manager Capital Markets beim Zement- und Baustoffhersteller Holcim. Ohne Umschweife räumte sei ein, dass Holcim als Zementhersteller einen großen CO2-Fußabdruck habe. Man arbeite mit einer Dekarbonisierungsstrategie aber hart an einer entsprechenden Reduktion dieses CO2-Fußabdruckes.

An den Bondmärkten ist auch immer wieder feststellbar, dass grüne Anleihen eines Emittenten zu geringeren Renditen im gleichen Laufzeitenfenster handeln wie die nicht-grünen Pendants des gleichen Emittenten. Dies ist eine positive Entwicklung im Bereich von Green und Sustainable Finance, zeigt es doch, welche hohe Nachfrage seitens der Investoren nach grünen und nachhaltigen (sozialen) Anleihen am Markt besteht. Wenn Emittenten also für grüne oder nachhaltige Projekte Kapital am Bondmarkt beschaffen, dann müssen sie den Investoren für diese Kapitalüberlassung im Rahmen der Use-of-proceeds-Bonds (zweckgebundene Anleihen) weniger Zinsen sprich Bondrenditen vergüten als bei herkömmlichen Anleihen ihres Hauses. Man spricht vom Greenium, das mittlerweile auch den Investoren offenkundig deutlich auffällt. So merkte ein Asset Manager, der auch auch stark im Bereich von Green und Sustainable Finance engagiert ist, hierzu mit einem Augenzwinkern an: „Wir können als Investor ein Greenium akzeptieren, aber nicht so groß bitte.“ In den vergangenen Jahren hat sich bei staatlichen Emittenten von grünen Anleihen ein Greenium in einzelnen Laufzeiten im Bereich des einstelligen Basispunktebereiches herausgebildet. Durch die Renditeaufwärtsentwicklung der Anleihen im vergangenen Jahr hat sich dies aber etwas verschoben bzw. relativiert.

Digitalisierung im Handel

Im Fokus stand auch die immer weiter fortschreitende Digitalisierung des Bondhandels im Primär- und auch Sekundärmarktbereich. Angemerkt wurde hierzu, dass es eine Vielzahl neuer Anwendungen sowohl für die Emission als auch für den späteren Handel der Bonds an den Märkten geben würde. Es handelt sich hierbei um eine wahre Flut von neuen technologischen Anwendungen. Thematisiert wurde, dass hier eine gewisse Harmonisierung weiterhelfen würde.


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