„Die Kohleindustrie ist ein gestrandeter Vermögenswert“

Richard Gröttheim, Chef des schwedischen Pensionsfonds AP7, legt im Interview der Börsen-Zeitung dar, worauf es dem Verwalter von Pensionsgeldern beim Übergang zu einer grüneren und nachhaltigeren Realwirtschaft ankommt. Er bewegt auch Unternehmen zum Übergang.

Richard Gröttheim
Peter Knutson

Herr Gröttheim, wie definieren Sie aus Sicht des schwedischen Pensionsfonds AP7 Transition und Transition Finance zu einer grüneren und nachhaltigen Welt?

Dieser Übergang wird in den realen Volkswirtschaften vollzogen. Der Übergang muss also von den Unternehmen realisiert werden, in die wir investiert haben. Und die Finanzierung dieses Übergangs bedeutet für uns sowohl die Bereitstellung von Kapital für den Übergang als auch die aktive Beteiligung in den Unternehmen, in die wir investiert haben, um letztlich darüber die Transition in eine grünere und nachhaltigere Welt zu realisieren. Beides ist notwendig: Kapitalbereitstellung und Engagement.

Was sind für Sie die größten Herausforderungen auf diesem Weg?

In dem Universum von Unternehmen, in denen wir investiert sind – das ist ein globaler Index von 3000 Aktien aus unterschiedlichen Branchen – gibt es Unternehmen, die erkannt haben, dass der Übergang bereits begonnen hat und es wichtig ist, diesen Weg mitzugehen. Andere Unternehmen sind eben noch starke Nachzügler, oder sie haben andere Geschäftsziele, die sie dazu veranlassen, eben kein Teil dieser Transition zu sein. Und dann gibt es natürlich viele, die sich in der Mitte davon befinden. Sie haben zwar erkannt, dass es wichtig ist, diese Transition anzugehen, aber sie haben damit noch nicht begonnen. Die Herausforderung besteht also darin, Unternehmen zu definieren bzw. ausfindig zu machen, die man wirklich vorantreiben kann und die für den Übergang letztlich auch wichtig sind. Und die Herausforderung besteht natürlich auch darin, etwas zu tun, um die Nachzügler oder Spätentwickler auf den Weg zu bringen.

Wie gehen Sie diese Herausforderungen an, und welchen Zeithorizont haben Sie sich dafür zugrunde gelegt?

Der Zeithorizont ist verständlicherweise langfristig. Wir haben haben den Net-Zero-Fußabdruck 2050 als Ziel, und wir müssen natürlich darauf hinarbeiten, die Unternehmen, in die wir investieren, zu diesem Ziel in dieser Zeit zu bewegen. Aber es ist auch wichtig zu erkennen, dass wir eben jetzt also heute damit beginnen müssen, um das Ziel bis 2050 auch erreichen zu können. Wir haben also einen längerfristigen Zeithorizont, aber auch auf kürzere Sicht angelegte Aspekte zu beachten. Was wir nun tun ist, dass wir als aktiver Eigentümer in den Firmen verstärkt auftreten. Und wir drängen die Unternehmen dazu, sich an diesem Prozess zu beteiligen. Wir investieren in die Firmen, von denen wir glauben, dass sie eine Kapitalzufuhr benötigen. Das ist natürlich in Teilen schwierig: Transition, Mandate, grüne Mandate, verschiedene Arten von Investitionen etc. Aber wir schließen auch diejenigen Nachzügler aus, z.B. die Kohleunternehmen, die ihre Produktion nicht verringern wollen. Wir schließen sie von unseren Investitionen aus.

Welche Herausforderungen bzw. Probleme lassen sich auf kurze Sicht womöglich erstmal nicht oder nur sehr schwer lösen?

Das ist etwas, woran wir sehr hart arbeiten, und zwar seit Jahren. Das sind zum Beispiel diejenigen Unternehmen, die gegen das Pariser Abkommen auf verschiedene Art und Weise Lobbyarbeit betreiben. Das sind also diejenigen Firmen, die wie auch immer geartete geschäftliche Gründe haben, sich nicht an der Umstellung zu beteiligen. Und dazu gehört auch die Kohleindustrie. Aber jeder weiß doch, dass wir auf lange Sicht oder sogar auch kurzfristig die Kohle loswerden werden müssen. Aber die Unternehmen dieser Branche wettern nun mal gegen das Pariser Abkommen. Wenn wir uns also darauf konzentrieren, dass diese Unternehmen aufhören, gegen das Pariser Abkommen zu wettern, können wir kurzfristig mehr erreichen. Aber es stellt uns natürlich vor ein Problem, diese Firmen letztlich auch ins Boot zu holen.

Was sind für Sie die größten Chancen bei diesem Transitionsprozess?

Wie bei allen Übergängen haben wir in den vergangenen 20 bis 30 Jahren einen riesigen Übergang erlebt und erleben ihn immer noch, und zwar den digitalen Übergang. Da stecken wir sehr tief drin. Wir sind dabei, uns zu einer digitalen Gesellschaft zu transformieren. Und da gibt es Gewinner und Verlierer. Und ich denke, dass Unternehmen, die erkennen, dass die Energieumwandlung etwas ist, von dem sie profitieren können, ein Wachstum für die Welt als Ganzes schaffen können. Aber wenn man nicht Teil dieser Umwandlung ist, dann hat man natürlich davon auch keinen Nutzen. Ich sehe große Chancen, dass die Menschen ein Teil dieser Transition werden und letztlich auch davon profitieren.

Wo liegen die größten Risiken?

Das größte Risiko ist, dass diese Unternehmen, die heute unter klimatechnischen Aspekten schmutzig sind, erfolgreich mit ihrer Geschäftsstrategie sind und damit für alle Beteiligten einen langsameren Prozess schaffen. Und das ist natürlich ein Risiko für die Gesellschaft und die Wirtschaft. Das sieht man heute, wo man z.B. in China die Kohleindustrie noch ausweitet anstatt in neue Technologien zu investieren. Alle Firmen müssen ins Boot geholt werden, und das ist Gefahr, dass genau das nicht gelingt.

Welche Vermögenswerte bzw. Assets werden Ihrer Meinung nach am stärksten von dem Transition-Prozess profitieren?

Ich denke, dass dies Investitionen in neue Lösungen für unsere Probleme sind. Das ist dann zwar kein Finanzinstrument, aber ein echtes Asset, also ein Vermögenswert, der profitieren wird. Investitionen in neue Technologien und in ein neues Energiesystem für die Zukunft sind am vorteilhaftesten und schaffen den meisten Wert.

Welche Vermögenswerte bzw. Assets werden nicht profitieren und zu sogenannten Stranded Assets werden?

Wie schon gesagt, bin ich der Meinung, dass die Kohleindustrie ein wirklich gestrandeter Vermögenswert ist. Investition in Kohle sind heute etwas, von dem man in Zukunft sowohl mittelfristig, als auch erst recht langfristig nicht profitieren wird.

Welche neuen Finanzierungsformen bzw. Finanzierungsinstrumente brauchen wir, um den Transition-Prozess zu realisieren?

Es ist in diesem Zusammenhang wichtig, eine ganze Reihe von Finanzierungsinstrumenten haben. Denn das Problem des Klimawandels lässt sich nicht mit einer oder zwei einzelnen Investitionen bzw. Instrumenten lösen. Man braucht eine große Bandbreite an verschiedenen Finanzinstrumenten oder Vermögenswerten, in die man investieren kann. Und ich denke, dass die Vorteile, die sich daraus ergeben, auch für die Akteure und Aktionäre von großer Bedeutung sein werden.

Was ist Ihr größter Wunsch in Sachen Transition zu einer grüneren und nachhaltigen Welt?

Mein größter Wunsch ist es, dass eine politische Entscheidung getroffen wird, um einen Preis für schmutzige Energie zu bekommen. Die Politik sollte also einen Preis für schmutzige Energie festlegen. Das kann in der Ausgestaltung ein Finanzinstrument sein, das die Wirtschaft kaufen muss, um schmutzige Energie zu produzieren. Das wäre mein größter Wunsch unter geschäftlichen d.h. Investmentaspekten auch im Transitionsprozess auf lange Sicht.


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